Interview mit Trudel / Domenichelli / Pelletier (Sommer 2003)

Trudel: "Wir sind nach Ambri gekommen, um unserer neuen Mannschaft den Schweizer Meister Titel zu schenken!"

Das Interview wurde vom Redaktionsteam vom "La Montanara" Heft geführt.

Die Leventiner haben sich mit der Verpflichtung der AHL-Stars Jean-Guy Trudel und Hnat Domenichelli ihren Sommertraum erfüllt. Das Duo soll in der Valascia nicht nur viele Skorerpunkte garantieren. Es soll zusätzlich für Offensivspektakel auf dem Eis garantieren. Die Biancoblu brauchen diese Impulse dringendst. Sie sind mit dem täglichen Brot des Alltagsleben zu vergleichen. Endlich will man die verloren gegangenen Fans wieder zahlreich in die Valascia holen. Natürlich sind die Gründe nicht nur auf das mangelnde Eisvergnügen zurückzuführen, sondern ebenso auf die ungenügenden Infrastrukturen im Stadion und einer nicht immer glücklichen Hand der Machenschaften in der Vorstandsetage des HCAP. Bevor wir das attraktive Angriffsduo auf dem Eisparkett bewundern können, haben wir uns mit den beiden Gewinnern des Calder-Cups (AHL-Meisterschaft) unterhalten. Doch längst ist der Siegeshunger der beiden HCAP-Toplegionäre noch nicht gestillt...

Welche Spielertypen sind unsere beiden neuen Hoffnungsträger?
Domenichelli: Ich glaube mein Pluspunkt ist das Eislaufvermögen. Dazu bin ich in der Lage, das Spiel zu lesen und versuche mich dann dementsprechend in die richtige Abschlussposition zu manövrieren. Mir gefällt es ausserordentlich an der Seite von Trudel zu spielen. Neben ihm bin ich zu einem besseren Crack geworden. Ausserdem bin ich davon angetan, jetzt auf grösseren Eisflächen zu spielen. Dadurch kann ich meine Schnelligkeit noch besser zum Tragen bringen.
Trudel: Seit ich diesen Sport beruflich ausübe, wurde ich stets mit offensiven Aufgaben bedacht. Gleichzeitig habe ich mich aber stets bemüht, meine defensive Rolle ebenso auszuführen. Nur so konnte ich zu einem kompletten Hockeyspieler heranwachsen. Aus diesem Grund erfülle ich mein defensives Pflichtenheft gerne. Schliesslich bringen dich immer wieder kleine Fortschritte in deinem Entwicklungsprozess weiter nach vorne.

Bei uns stellt man immer hohe Anforderungen an einen Legionär. Fühlt sich Jean-Guy Trudel als Leaderfigur?
Trudel: In den vergangenen fünf Jahren war ich in der AHL immer Teamcaptain. Während dieser Zeit habe ich immer versucht von anderen Spitzenspielern zu lernen, wie man zum Leader wird. Der HC Ambri-Piotta verfügt über eine junge Equipe. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass routinierte Spieler wie beispielsweise Hnat und Nicola Celio mit gutem Beispiel vorausgehen. Wir müssen dafür besorgt sein, dass jeder Mitspieler in jedem Spiel 100% wettkampfbereit ist.

Welche Gründe sprachen für den Wechsel zum HC Ambri-Piotta?
Domenichelli: In Nordamerika habe ich in der NHL gespielt und in der AHL mit den Houston Aeros den Calder Cup gewonnen. Danach habe ich gefunden, dass ich in Nordamerika mein Soll erfüllt habe. Deshalb habe ich mich für einen neue Herausforderung auf dem alten Kontinent entschieden. Mit diesem neuen Kapitel will ich meiner Karriere eine neue Dimension verleihen. Ich glaube, dass ich hier die richtige Umgebung gefunden habe, um hier neue Sensationen zu erleben.
Trudel: Ich habe zuvor den Namen Ambri-Piotta noch nie gehört. In den vergangenen Jahren bekam ich aber schon diverse Vertragsofferten aus Europa. Diese stammten vor allem aus Deutschland (DEL). Ich wusste nicht, was mich dort erwartet hätte. Ein Freund von mir spielt in Österreich. Er hat sich sehr positiv über die Schweiz ausgedrückt. Heute bin ich über meinen Entscheid sehr glücklich.

Wie erklären Sie sich diese Glückseligkeit auf den ersten Blick?
Trudel: Na ja. Es begann eigentlich schon bei unserer Ankunft auf dem Flughafen. Da waren eine ganze Menge Fans anwesend. In den Vereinigten Staaten sind derartige Kundgebungen undenkbar. Und dann eben diese Ambiance in Ambri. Das ganze Dorf spricht nur über seine eigene Hockey-Mannschaft. Persönlich hat mich aber auch die Bekanntschaft mit meinen neuen Mitspielern überrascht. Es sind nicht nur gute Hockeyspieler, besser als in Nordamerika behauptet wird, sondern es sind vor allem absolute Persönlichkeiten, welche bereits sind, sich voll in den Dienst der Mannschaft zu stellen.
Domenichelli: Der Empfang der Mitspieler war fantastisch. Alle waren sie sehr freundlich. Und das ist für einen Neuankömmling enorm wichtig. Schliesslich komme ich von einem anderen Kontinent und somit von einer anderen Realität. Dazu gilt es die wunderschöne Region zu erwähnen. Sie ist wirklich unglaublich schön! Ich habe noch nie so viele Berge auf einen Blick gesehen. Es ist wirklich ausserordentlich! Ausserdem braucht man nur einige Kilometer Auto zu fahren und schon befindet man sich am Luganersee oder am Lago Maggiore unter Palmen. Das finde ich einzigartig!

Jean-Guy Trudel hat sich über den berauschenden Empfang der Fans geäussert. Wie hast Du ihn erlebt?
Domenichelli: In Houston war das wahrhaftig viel trockener. Der Empfang in Ambri hat mich an meine vier Jahre bei den Calgary Flames in der NHL erinnert. Auch dort stehen die Fans dem Team sehr nahe. In Calgary lieben sie ihren Klub. Deshalb verlangen sie in jedem Spiel, dass man sich für den Klub zerreist. Es ist eine Atmosphäre, welche ich hier in der Schweiz während den ersten Tagen wiedergefunden habe.

Sich für seine Klubfarben das Herz zu zerreissen, und der Wille immer an seine Leistungsgrenze zu gehen. Sind dies die Ziele des HCAP, Ausgabe 2003/04?
Trudel: Ja. Ich weiss nicht, wie es hierzulande im Hockey läuft. Bei mir ist es jedenfalls so, dass ich immer gewinnen will. Ich und Hnat haben dieses Kunststück in Houston fertig gebracht. Jetzt wollen wir die gleichen Erlebnisse hier möglichst wiederholen. Wir sind nach Ambri gekommen, um zu gewinnen! Ich weiss, dass Ambri auf eine lange Klubgeschichte zurückblicken kann und europäische Trophäen gewonnen hat. Bisher hat der Klub aber noch nie die Schweizer Meisterschaft gewonnen. Wir sind nach Ambri gekommen, um unserer neuen Mannschaft diesen Titel zu schenken!

Diese Wörter tönen in den Ohren der Ambri Fans mehr als verlockend. Eigentlich sind wir mit unserer Konversation am Ende angelangt. Trotzdem wollen wir Ihnen noch einige persönliche Information entlocken...

Welches ist Euer Lieblingslied?
Domenichelli: Ich bin kein leidenschaftlicher Musikhörer. Diese Frage kommt für mich etwas überraschend. Somit macht es keinen Sinn, wenn ich irgendetwas sage.
Trudel: Das ist ganz leicht: "We are the champions!"

Beim Film...
Domenichelli: Hier kommen wir meiner Sache schon etwas näher. Ich bin ein Kinofanatiker. Eben habe ich den Film "The italian job" gesehen. Ich habe keinen Lieblingsfilm, aber bei den Schauspielern bevorzuge ich Tom Cruise.
Trudel: Braveheart mit Mel Gibson.

Ein Buch...
Domenichelli: Ein Buch.., ein Buch.., momentan lese ich gerade den Schunken mit dem Titel "without the badge". Die Geschichte handelt von einem Polizisten in New York. Beim Lesen lerne ich zu verstehen, auf was sich ein Polizist in dieser Stadt, nach den Vorkommnissen des 11. Septembers alles gefasst machen muss.
Trudel: Ich lese sehr gerne. Dabei bevorzuge ich amerikanische Schriftsteller. Allerdings weiss ich nicht, ob diese Bücher in Europa übersetzt werden. Es sind Romane, welche meistens später einmal verfilmt werden.

Euer Lieblingshockeyspieler?
Domenichelli: Als ich noch klein war, war es Wayne Gretzky. Ich bin in Edmonton geboren. Und dort verbrachte Gretzky einige seiner erfolgreichen Jahre. Zuerst hatte ich das Vergnügen, ihn spielen zu sehen. Und später traf ich ihn in der NHL als Gegenspieler an. Ja, er war wirklich mein Idol!
Trudel: In den vergangenen Jahren hat mir Peter Forsberg den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen. Er ist ein kompletter Hockeycrack. Forsbergs Scheibenführung ist erstklassig. Dazu kann er Tore schiessen. Er ist ein Leader mit ausgezeichneten offensiven und defensiven Fähigkeiten. Von ihm habe ich nur positive Kritiken gehört. Dies gilt ebenso für den menschlichen Bereich. Mit den Colorado Avalanche hat er hervorragende Arbeit geleistet. Und bei ihren beiden letzten Stanley-Cup-Siegen war er eine Schlüsselfigur. Forsberg ist meine Vorzeigefigur!                                                                               


Serge Pelletier, mit welchen Zielen nehmen Sie die kommende Saison 2003/04 in Angriff?
Serge Pelletier: Zuerst beginnen wir unser Vorhaben auf die Playoff-Qualifikation zu fixieren. Ich bin mir bewusst, dass es zu einem ausgesprochen ausgeglichenen Championat kommt. Viele Equipen haben sich während der hockeylosen Zeitspanne verstärkt. Dabei denke ich besonders an die SCL Tigers, Lausanne, Fribourg, Zug und Rapperswil. Für uns sollte trotzdem ein Platz in den ersten acht möglich sein.

Werfen wir einen Augenschein auf die abgeschlossene Transferkampagne. Wie fällt dazu Ihre Analyse aus?
Was die Schweizer Cracks betrifft, hatten wir nur wenig freie Plätze. Bekanntlich haben wir die drei Ausländerposten ausgetauscht. Mit Theo Wittmann, René Friedli und dem jungen Rezek wurden die einheimischen Lücken ausgefüllt. Vom neuen Legionärstrio erhoffe ich mir frische Impulse. Wittmann und Friedli können mit ihrer Erfahrung zum Teamerfolg beitragen. Momentan ist es noch schwierig einzuschätzen, ob wir stärker als im Vorjahr sind. Jede Saison schreibt seine eigene Geschichte. Wir arbeiten hartnäckig, um eine positive Story niederzuschreiben. Dafür legen wir viel Enthusiasmus in die Waagschale!

Beim HC Ambri-Piotta wurde das ganze Ausländerpaket ausgewechselt. War das nicht ein zu grosses Risiko?
Mike Gaul kannte ich schon von meinem Abstecher bei Fribourg-Gotteron her. Ich habe dort seine Qualitäten bestens kennen gelernt. Jean-Guy Trudel und Hnat Domenichelli bringen ausgezeichnete Referenzen mit sich. Zudem haben sie mit den Houston Aeros die American Hockey League (AHL) bezihungsweise den Calder Cup gewonnen. Vom Trio erwarten wir eine tatkräftige Unterstützung. Übrigens erhoffen wir uns von den helvetischen Spielern ebenso einen Schritt nach vorne!

Im kommenden Winter wird erstmals mit 13 NLA-Teams gespielt. Wie stehen Sie dieser Ausgangslage gegenüber?
Ich habe kein Problem damit. Dafür habe ich eine glasklare Begründung parat: Wir besitzen hierzulande ein genügend grosses Spielerpotential, um eine ausgeglichene Meisterschaft zu garantieren. Bereits die vergangene Saison hat uns dies in eindrücklicher Manier bestätigt.

Diesmal steht es fest. Die rote Laterne der NLA wird am Ende der Qualifikation, direkt in die Nationalliga B, absteigen. Welche Equipe muss sich damit abfinden?
Momentan ist es unmöglich, einen Absteiger zu nennen. Wenn man sich eben auf die Ausgeglichenheit unserer Spitzenliga konzentriert, kommen diverse Farben für den Biss in den sauren NLB-Apfel in Frage.

Wie lautet Ihre Reihenfolge der Titelaspiranten?
1. HC Lugano. 2. SC Bern. 3. HC Davos. 4. ZSC Lions. 5. Offen...

Interview: Arturo Gatto, Übersetzung: Robert Szendröi