Interview mit Goalie-Trainer
Andy Jorns
Name/Vorname:
Jorns Andy
Geburtsdatum: 11. Januar 1951
Wohnort: Unterägeri
Grösse / Gewicht: 165 cm / 68 kg
Zivilstand: verheiratet mit Heidi
Position: Goalietrainer
In Ambri während 7 Saisons (1973-76, 1983-87)
Länderspiele: 28
Bisherige Clubs: SC Bern, Rotblau Bern,
Biel, HCAP, Zug, Arosa
Erlernter Beruf: Radio-/TV-Elektriker
Hobbys: Reisen, Tierwelt und Bergsteigen
Andy Jorns, Sie kehren nach 20 Jahren an ihre alte Wirkungsstätte
zurück, diesmal als Goalietrainer. Was hat sie zu einer Rückkehr nach
Ambri bewegt?
Andy Jorns: Sportchef Peter Jaks wusste, dass ich nach dem Ende der
letzten Saison den SC Bern verlassen werde. Er hat mich dann angefragt, ob
ich auf Teilzeitbasis als Goalietrainer beim HCAP mithelfen möchte, das
Team weiterzubringen. Ich kenne ja den Club, sein Umfeld und vor allem
auch Thomas Bäumle. Ich habe dann auch nicht lange gezögert und Peter Jaks
spontan zugesagt. Es war übrigens immer ein Traum, eines Tages in
irgendeiner Funktion nach Ambri zurückzukehren.
Sie wurden in einer 50% Anstellung eingestellt. Wie sieht das Pensum
beim HC Ambri-Piotta und beim EHC Basel aus?
Eigentlich ist es kein 50% Pensum im herkömmlichen Sinn. Ich werde in der
Vorbereitung und während der Saison einmal in der Woche in Ambri sein und
mit den beiden Torhütern Thomas Bäumle und Flavio Lüdke arbeiten.
Zusätzlich werde ich auch Spiele beider Teams besuchen. Das gleiche
Engagement gilt natürlich auch für den EHC Basel.
Ein kluger Schachzug von Peter Jaks, denn Sie kennen Thomas Bäumle
schon lange und gelten als sein grosser Förderer. Wie sehen Sie das?
So kann man es auch nennen. Ich kenne Thomas Bäumle schon seit ca. 12
Jahren und hatte die letzten 8 Jahre beim SC Bern und den Junioren
National-Teams oft mit ihm zusammengearbeitet. Ich war es auch, der Thomas
Bäumle geraten hatte, das Angebot aus Ambri anzunehmen und in der
Leventina die Karriere fortzusetzen.
Wie stufen Sie denn Thomas Bäumle, der Shooting Star der letzten Saison
ein?
Thomas Bäumle ist noch so jung und erst am Anfang einer hoffnungsvollen
Karriere als Topgoalie. Sein grösstes Potenzial, sich zu verbessern liegt
sicher im Sammeln von Erfahrungen und viel Spielpraxis. Ich weiss, dass
Thomas eine sehr gute Einstellung hat. Er hat einen sehr grossen Willen
und ist ein hart arbeitender, talentierter Torhüter. Aber mit nur diesen
drei Eigenschaften ist man noch kein guter Nati A Goalie! Da kommen noch
andere Faktoren dazu. Ich denke aber, dass es Thomas Bäumle weit bringen
kann.
Blicken
wir doch ein paar Jahre zurück. Wie kamen ursprünglich Ihre beiden
Transfers zum HC Ambri-Piotta zustande?
Das erste Mal (1973) war ich beim SC Bern unter Vertrag, die Berner
verpflichteten dann den damaligen Nationalgoalie Jürg Jäggi, der damals
beim HCAP spielte. Somit hatte ich die Chance, als 22-Jähriger zu Ambri zu
wechseln, so quasi als eine Goalie-Rochade. Ich erinnere mich noch gut als
viele meiner Spielerkollegen mich nicht verstehen konnten, in das enge Tal
zu wechseln. Mir aber hatte es dort sofort gut gefallen. Das 2. Mal
spielte ich beim EHC Arosa und als unser damaliger Trainer Lasse Lilja
Mitte Saison entlassen wurde, schloss ich mich dem Schweden Ende Saison
an, um wieder für Ambri zu spielen.
Sie trugen damals das Trikot mit der Nummer 17. Nicht nur die
Trikot-Nummer sondern auch die Länge des Trikots gab damals zu reden. Um
was ging es dabei eigentlich?
Da ich manchmal Tore zwischen den Beinen erhielt, musste ich ein wenig
improvisieren und kam dabei auf die Idee des zu langen Trikots. In einem
Spiel gegen den EHC Chur hat sich der damalige Söldner und spätere
SCB-Meistertrainer Bill Gilligan gewundert, dass er keine Pucks zwischen
den Beinen versenken konnte, denn dies war damals seine Spezialität. Der
Kanadier beschwerte sich dann bei seinem Verein und diese reichten eine
Beschwerde beim Eishockeyverband ein. Ich musste dann mein Leibchen
kürzen. Übrigens gibt's von dieser Geschichte einen lustigen Cartoon, der
damals in der Zeitung war. Jetzt gibt es beim Internationalen
Eishockeyverband eine Regel betreff der Grösse von Torhüterleibchen.
Was habt ihr damals in der Freizeit gemacht? Gerüchten zur Folge seid
ihr keine Kinder von Traurigkeit gewesen?
Eigentlich hat alles schon nach dem Spiel angefangen, als die Mannschaft
zusammen mit einigen Fans durch die Beizen von Ambri zogen. Dabei wurde
oft übers Spiel diskutiert und das eine oder andere Bierchen zu sich
genommen. Schlusspunkt war dann öfters das Ristorante Ul Betolin in Rodi,
wo es meistens bis 3-4 Uhr morgens ging. Heute ist das schlicht nicht mehr
möglich. Zu dieser Zeit gingen wir auch viel zusammen in den Ausgang. Wir
waren damals eine verschworene Einheit und waren auch stets im Urnerland
anzutreffen. So war zum Beispiel der Maskenball im Bahnhofbuffet von
Göschenen ein absolutes Muss. Dazu ist noch zu sagen, dass zu dieser Zeit
noch kein Spieler unterhalb von Faido wohnte, was uns natürlich noch mehr
zusammen schweisste. Ich habe mich auch bemüht, Spieler nach Ambri zu
holen und ihnen die Leventina mit allen ihren Vorzügen schmackhaft
gemacht. So sind zum Beispiel Köbi Kölliker und Ueli Hofmann dank meinen
Kontakten zum HCAP gekommen. Ebenso habe ich mir auch die Zeit genommen
für die Fans da zu sein und bin auch gerne an die Versammlungen und
Anlässe der Fanclubs gegangen.
Wie sah denn damals Ihre Matchvorbereitung aus?
Ich hatte mir eine Spielerkartei gemacht, wo ich alle unsere Gegner fein
säuberlich aufgelistet habe. So notierte ich z.B. die Stockhaltung, Tricks
und Eigenheiten der einzelnen Spieler darin. Meistens am Abend vor einem
Spieltag habe ich mir diese Karten angesehen und versucht einzuprägen. An
einem Spieltag begann meine Vorbereitung bereits um 16 Uhr mit mentalem
Training. Vielfach habe ich sehr laute Musik gehört und mich dabei so
konzentriert, dass die Musik verschwand. Wenn ich abends ins Stadion kam,
war ich derart "abgeschaltet", dass mich viele Leute als sehr arrogant
hielten, als ich ohne Worte und Gruss in die Kabine verschwand. Auch beim
Aufwärmtraining habe ich noch einige Varianten und Situationen der
Gegenspieler trainiert und vertieft. Die Vorbereitung ist das A und O
eines jeden Torhüters, denn sonst ist es schlicht nicht möglich auf einem
Topniveau zu spielen. Nicht umsonst werden viele Goalies als Spinner
angesehen.
Wie fuhr man zu dieser Zeit an die Auswärtsspiele? In den siebziger
Jahren bestand ja noch kein Gotthardstrassentunnel.
Ja, das ist richtig. In jener Zeit fuhr die ganze Mannschaft mit dem Zug.
Wir wurden dann am Bahnhof abgeholt oder zum Stadion gefahren. An
spezielle Spiele wie gegen Bern, Langnau oder Kloten sind wir dann mit dem
Roten Pfeil gefahren. Öfters wurde an verschiedenen Bahnhöfen angehalten
um weitere Fans einzuladen. Wir Spieler sind dann etwas abgetrennt von den
Fans gesessen. Damals hatte die Wirtin vom Ristorante Stazione vorgekocht
und uns ein Essen im Zug serviert. Meistens haben wir die Auswärtsspiele
verloren, hatten aber trotzdem immer eine gute Stimmung an Bord. Später
sind wir dann mit dem Bus an die Auswärtsspiele gefahren.
Im Ambri Buch, das seinerzeit Edi Inderbitzi geschrieben hat, gestehen
Sie, dass Sie mal im Arosa Dress La Montanara mitgesungen haben? Stimmt
das wirklich?
Mmmh, das musste ja kommen! Zu dem stehe ich auch! Mir lief das damals
eiskalt über den Rücken und ich begann mitzusingen. Wir lagen damals auch
2:6 im Rückstand.
Welche Anekdoten kommen Ihnen aus Ihrer Zeit in Ambri heute spontan in
den Sinn?
Eine, die ich nicht vorenthalten möchte, betrifft unseren ehemaligen
Buschauffeur Berti Marchetti. Immer wenn wir von den Auswärtsspielen nach
Hause kamen, hatte Berti sich erkundigt, wer denn im Gotthardtunnel für
die Sicherheit verantwortlich war. Denn im Tages Rhythmus wechseln sich
die Urner und Tessiner Beamten ab. Und immer wenn die Tessiner Schicht
hatten, probierte unser Chauffeur möglichst schnell durch den Tunnel zu
fahren. Da waren wir natürlich immer alle Feuer und Flamme, da wir ja
nachher bald zu Hause waren. So überholte uns mal im Vortunnel von
Göschenen im letzten Moment ein Porsche und Berti nahm natürlich sofort
seine Verfolgung auf. So in der Mitte des Tunnels musste der Porschefahrer
wegen eines Wohnwagens auf rund 60 km/h abbremsen und hinterherfahren.
Unser Mannschaftscar näherte sich den beiden und kurz bevor wir fast auf
die zwei auffuhren, scherte unser Chauffeur aus und überholte die beiden
verdutzten Automobilisten. Fast alle Spieler waren auf der rechten Seite
am Fenster und schlugen mit den Fäusten gegen die Scheiben und johlten und
lärmten was das Zeug hielt. Wer weiss, was da hätte passieren
können.........
Was hat sich in den letzten 20 Jahren punkto Training, Spiel und
Ausrüstung geändert?
Uh! Das ist eine schwierige Frage, die alleine unzählige Seiten füllen
würden. Heute wird sicher mehr und intensiver trainiert als zu meiner
Zeit. Ebenso ist das Spiel physischer, wesentlich härter geworden. Nur
noch körperlich starke Spieler werden Erfolg haben. Als Goalie ist der
Druck nochmals grösser geworden als früher, denn kein Torhüter kann sich
mehr einen Fehler leisten. Punkto Ausrüstung hat sich sehr vieles
verändert. Dank der heutigen Ausrüstung wird man viel besser geschützt als
noch vor Jahren. Ich erinnere mich an meine Trainings in Ambri, als ich
viele Schüsse gar nicht parieren konnte, weil sonst die Schmerzen und die
blauen Flecken am anderen Tag unerträglich gewesen wären.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.
Interview und Fotos: André Sägesser.
|