John Fritsche, ein Grosser des Schweizer Eishockeys sagt Bye Bye! (März 2005)

John Fritsche kehrt in die USA zurück und wird da in "seinem" Cleveland eine Juniorenmannschaft übernehmen. Ein Interview von Lorenzo Boscolo und Flavio Viglezio vom GdP - Übersetzung durch Tiz.

John Fritsche (rechts) 

mit seinem Neffen Dan 

im August 2004 in Sursee

John Fritsche ist 1983 als 17jähriger vom grossen Amerika in die Provinz der Schweiz gekommen. Er ist einer, der in über 20 Jahren dem Schweizer Eishockey sehr viel gegeben hat. Vor allem dem HCAP, wo er seine Karriere in unserem Land angefangen und beendet hat. 

John, wie bist du in die Schweiz gekommen und im speziellen nach Ambri?
Ich habe ein Inserat im "Swiss-American Revue" gesehen. Gegen Weihnachten bin ich nach Ambri gekommen um einige Freundschaftsspiele zu absolvieren. Nach zwei Spielen hat mir der Klubs einen Vertrag angeboten und so hat mein Abenteuer bei Ambri begonnen. Ich wollte eigentlich nur ein Jahr bleiben und stattdessen..... 

Vom grossen Cleveland ins kleine Dorf in der Leventina, was für ein Wechsel!
Nun, es ist klar, dass es zu Beginn ein bisschen Probleme mit der Akklimatisierung gab. Als ich im Tessin ankam, hab ich aber sofort ein paar Mannschaftskollegen gefunden, die mir sehr geholfen haben. Im speziellen denke ich da an Rick Tschumi, Warren Bruetsch und die Ausländer Hampton und Hubik. Das Hockey zu dieser Zeit war mehr ein Vergnügen als etwas anderes, viel weniger Stress als in den USA. 

Der Höhepunkt deiner Spielerkarriere in der Leventina war vermutlich Ende der 90er-Jahre, als man zweimal - im Halbfinal gegen Zug und im Final gegen Lugano - einen Schritt vor dem Titel stand...
So nah am Ziel zu sein und dann den Titel nicht zu holen war ohne Zweifel eine grosse Enttäuschung. Es blieben mir aber schöne Erinnerungen an diese Momente. Im Finaljahr herrschte in Ambri eine sensationelle Atmosphäre. Die Mannschaft, der Trainer, der Vorstand und die Fans waren eine Einheit: ich habe wirklich ausserordentlich emotionale Momente erlebt. Als Lugano an diesem Nachmittag den entscheidenden Treffer erzielte, verstummte die Valascia und die blauweissen Fans waren für mindestens 30 lange Sekunden totenstill. Es war ein schwerer Moment, denn wir haben hart gearbeitet, um den Titel zu holen. Mir tat es vor allem für unsere Fans leid: Wenn jemand in Ambri wirklich den Titel verdient, dann ist es unser Publikum!

In deiner Letzten Saison als Spieler plagten dich diverse Verletzungen. Der Klub hat Riccardo Fuhrer entlassen und übertrug dir die Mannschaft fürs vierte Playoffspiel  gegen Davos. 
Eine schöne Erinnerung, auch wenn das nur eine kleine Seite meines Lebensbuches repräsentiert. Ich konnte an diesem Abend nicht viel machen, ich war mehr als Spieler denn als Trainer auf der Bank. 

Die letzten Jahre warst Du Assistenz-Trainer von Serge Pelletier. Welche Bilanz ziehst du von der vor kurzem zu Ende gegangenen Saison?
Ambri ist eine gute Mannschaft und diese Saison hat sie dies bewiesen. Wir erhofften uns vielleicht ein bisschen mehr, aber in all den Jahren hab ich noch nie solches Pech erlebt, wie es uns Ende Saison widerfahren ist. Es war schwierig, mehr herauszuholen ohne all die Spieler, die uns fehlten. 

Gibt es eine Person, die mehr als alle anderen für immer in deinem Herzen bleibt?
Es gibt sehr viele Leute, die Liste wäre zu lange. Ich kann sagen, dass ich nach Amerika als... Ausländer zurückkehre, weil ich mich heute als Schweizer fühle. In meinem Herzen trage ich die blauweissen Farben, ich vergesse niemanden, hier habe ich wirklich spezielle Momente erlebt. 

Vor allem Ambri, aber nicht nur Ambri in deiner langen Karriere. Du warst auch fünf Jahre in Zug...
In Zug hab ich ein schönes Stück meiner Karriere verlebt, auch von da hab ich schöne Erinnerungen. Ich kam zusammen mit Red Laurence, meinem Teamkollegen von Ambri in Zug an. Ich denke, dass ich meinen Beitrag zur sportlichen Entwicklung der Zentralschweizer gemacht habe. Während dieser Zeit  spielte ich zweimal mit der amerikanischen Nationalmannschaft am Spenglercup, ein weiterer faszinierender Moment. 

Dann der Wechsel zu Lugano...
Ich fühlte mich bereit für eine grosse Herausforderung und so nahm ich das Angebot aus Lugano an. Auch als Bianconero war es eine schöne Erfahrung: Lugano ist eine schöne Stadt, die Organisation war optimal und noch heute habe ich viele Freunde da. Ich kann sagen, dass es mir überall in der Schweiz gut ergangen ist. 

Jetzt nach über 20 Jahren ist für dich und deine grosse Familie (Frau und fünf Kinder) die Zeit gekommen, den Atlantik wieder zu überqueren, dieses Mal von der anderen Seite. Was wirst du ganz genau machen, John?
Mir wurde die Aufgabe anvertraut, eine Mannschaft der "Major-Junior" zu trainieren. Diese besteht aus 20-21jährigen Jungs. Ich denke, das wird eine optimale Erfahrung sein, eine interessante Herausforderung, denn ich arbeite mit einem Teil meiner Verwandtschaft. Ich trainiere die Mannschaft und bin für die Halle zuständig. Mein Bruder fungiert als Chef-Scout, während mein Neffe den Posten des General-Managers beschäftigt. Auch für meine Kinder, die Hockey spielen ist es wichtig, einen neuen Stil zu lernen, basierend auf Kampf und Aggressivität. Für einen wie mich, der diesen Sport lebt, ist es wichtig in einem solchen Umfeld zu arbeiten, egal ob in der Schweiz oder in USA.  

Was wird dir an unserem Land fehlen?
Praktisch alles. Ich wäre ein Lügner, wenn ich sagen würde, ich wäre nicht traurig, die Schweiz zu verlassen. In Amerika bin ich aufgewachsen, hier bei euch  bin ich gereift, auch wenn ich ein bisschen verrückt geblieben bin, wie viele meiner Landsleute. Wahrscheinlich das einzige, was mir nicht fehlen wird von der Schweiz, sind eure Preise. Mamma mia, das Leben ist teuer hier!

John, was hat sich in den 20 Jahren im Schweizer Eishockey verändert?
Wirklich viel. Bis Ende der 90er-Jahre war es mehr ein Vergnügen als etwas anderes. Dann haben sich die Trainingsmethoden und die Spielsysteme geändert. Die Torhüter haben sich extrem verbessert, die Spieler wurden physischer und schneller. Das heutige Niveau des Schweizer Eishockeys ist wirklich sehr gut. Ich bin mir sicher, dass in Zukunft viele Schweizer die Möglichkeit haben werden, in der NHL zu spielen. 

Die Schweiz bleibt jedoch ein kleines Land. Glaubst du, dass es noch Möglichkeiten gibt, sich dem Top-Niveau des Welthockeys weiter zu nähern?
Natürlich gibt es noch Steigerungspotenzial. Alles hängt von den Jungen ab, von ihrem Charakter und von ihrem Willen, ambitionierte Ziele zu erreichen. Heute muss ein Junger, der auf hohem Niveau in der ersten Mannschaft spielen will, viele Opfer bringen und das ist nicht immer leicht. Wenn es gelingt, eine gewisse "Arbeits-Ethik" zu erreichen, bin ich sicher, dass dem Schweizer Eishockey eine brillante Zukunft bevorsteht. 

Wie könnte man aus deiner Sicht unser Hockey verbessern?
Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage. Was sicher ist, das haben wir dieses Jahr gesehen, dass man die Struktur des Verbandes verbessern muss. Die Schweizer Führung hat in den letzten fünf Jahren sicher gute Ideen gehabt, aber verbessern kann man sich immer. 

John, ich wünsche dir im Namen des Fanclubs Luzern (er nannte mich immer "Capo") und aller Fans alles Gute für Deine Zukunft und wir hoffen, dich irgendwann wieder in der Schweiz begrüssen zu dürfen! 

Tiz